Mannheimer Gründungspanel

Ziele und Aufgaben

Das Hauptanliegen des Mannheimer Gründungspanels des ZEW ist die Identifizierung von Gründungs- und Schließungsereignissen in Deutschland. Datengrundlage für den ZEW-Gründungspanel sind die etwa halbjährlich von CREDITREFORM e.V. bereitgestellten Unternehmensdaten. CREDITREFORM ist die größte deutsche Kreditauskunftsdatei und verfügt über eine umfassende Datenbank zu deutschen Unternehmen. In der CREDITREFORM-Datenbank werden nahezu alle im Handelsregister eingetragenen Unternehmen erfasst. Nach Aufbereitung der Daten am ZEW können unternehmensdynamische Prozesse, bisher vor allem die Entwicklung des Gründungsaufkommens, auf praktisch jeder beliebig aggregierten räumlichen und sektoralen Ebene untersucht werden. Unter Rückgriff auf die Gründungs- und Beschäftigungsangaben kann dabei die erstmalige Errichtung der Unternehmen von Übernahmen unterschieden werden. Ebenso ist es möglich, den Grad der Selbständigkeit eines Unternehmens zu bestimmen. Dazu werden die Angaben zu den am Unternehmen beteiligten Personen und beteiligten Unternehmen ausgewertet. Weiterhin erlauben die zu verschiedenen Zeitpunkten zur Verfügung stehenden Unternehmensangaben mikroökonomische Analysen zum Überleben und Wachstum von Unternehmensgründungen. Solche Analysen können aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen allerdings nur von Wissenschaftlern am ZEW durchgeführt werden.

Erhebungszeitraum

Seit dem 01.01.1989 in den alten Bundesländern
Seit September 1991 in den neuen Bundesländern.

Anmerkungen

Das ZEW-Gründungspanel Ost hat im Gegensatz zum Gründungspanel West eher den Charakter eines umfassenden Unternehmenspanels, da zusätzlich zu den erfassten Neugründungen alle von CREDITREFORM erfassten, bereits vor der Vereinigung existierenden Unternehmen im Datenbestand enthalten sind.

Seit September 1999 enthält das ZEW-Gründungspanel Ost Angaben zu knapp einer Million Unternehmen in den neuen Bundesländern, im ZEW-Gründungspanel West sind seit dem Jahr 2000 ca. 1,6 Mio. Unternehmensgründungen gespeichert

Erhebungsverfahren

Die Art und Weise der Datenerhebung durch CREDITREFORM ist von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung der Validität der Daten und deren Nützlichkeit für wissenschaftliche Untersuchungszwecke. Die Hauptgeschäftsfelder von CREDITREFORM sind die Bereitstellung von Kreditwürdigkeitsauskünften zu einzelnen Unternehmen und die Übernahme von Inkassoaufträgen.

Die Datenerhebung seitens der CREDITREFORM erfolgt dezentral durch gegenwärtig 134 eigenständige Niederlassungen (Vereine CREDITREFORM), jedoch nach einem einheitlichen Vorgehen. Die dezentrale Struktur impliziert, dass VC-spezifische Verzerrungen in der Datenerfassung bzw. –pflege nicht ausgeschlossen werden können. Regionale Verzerrungen sind typisch für dezentral organisierte Erfassungssysteme, so auch für die amtlichen Statistiken.

Die Vereine CREDITREFORM e.V. werten unabhängig von Unternehmensanfragen verschiedene öffentliche Register, insbesondere das Handelsregister, sowie Tageszeitungen, Geschäftsberichte und veröffentlichte Bilanzen systematisch aus. Bei Anfragen, die Kunden bei der Aufnahme neuer oder bei der Überprüfung laufender Geschäftsbeziehungen an CREDITREFORM richten, wird zusätzlich eigenes Befragungspersonal für mündliche Interviews eingesetzt. Auskunftsverweigerungen von Unternehmen bei Anfragen von CREDITREFORM sind in weitaus geringeren Maße zu verzeichnen, als sie typischerweise bei freiwilligen Befragungen für wissenschaftliche Zwecke auftreten. In den Fällen einer Verweigerung werden dann Geschäftspartner, Konkurrenten oder auch weitere Beteiligte am betreffenden Unternehmen hinsichtlich des zu recherchierenden Unternehmens befragt. Sowohl die Ergebnisse schriftlicher als auch mündlicher Befragungen werden mittels eines Branchenanalyseprogramms und öffentlich zugänglichen Informationen auf ihre Konsistenz hin geprüft.

Anfragen und Auskünfte durch CREDITREFORM betreffen überproportional häufig große, wirtschaftsaktive Unternehmen mit zahlreichen Geschäftsbeziehungen. Weiterhin ist zu erwarten, dass Recherchen besonders bei Unternehmen in ungünstiger finanzieller Lage bzw. mit starker Insolvenzgefährdung durchgeführt werden, da deren Geschäftspartner beim Eindruck mangelnder Stabilität und Prosperität verstärkt Auskünfte bzgl. der gefährdeten Unternehmen einholen. Eine überdurchschnittliche Recherchenhäufigkeit ist auch bei stark expandierenden Unternehmen zu vermuten, die nach weiteren Lieferanten suchen. Schließlich berichten die amtlichen Informationsquellen und die Tagespresse häufiger über Unternehmen mit Handelsregistereintrag, starker Öffentlichkeitswirkung, überdurchschnittlicher Entwicklungsdynamik oder in besonderen Problemlagen.

Bei einer idealtypischen Panelstruktur stehen zu gleichen Zeitpunkten für jede Beobachtungseinheit Informationen in identischem Umfang zur Verfügung. Die Datenstruktur der ZEW-Gründungspanel Ost und West weicht von dieser üblichen Panelstruktur ab. Sowohl die Häufigkeit der Anfragen zu einem Unternehmen als auch die Recherchezeitpunkte variieren zwischen den erfassten Unternehmen. Zudem ist festzustellen, dass bei jeder neuen Recherche nicht bereits alle vorliegenden Angaben überprüft und aktualisiert werden. Daraus resultiert, dass sich für jeden Datensatz ein unterschiedlicher Aktualisierungsgrad der Unternehmensangaben ergibt, der den direkten Vergleich mit Angaben zu anderen Unternehmen erschwert.

Unternehmensgründungen

Die statistische Grundeinheit des CREDITREFORM – Datenbestandes und damit Untersuchungsobjekt ist das rechtlich selbständige Unternehmen. Ein Unternehmen kann einen oder mehrere Betriebe umfassen, wobei der Betrieb eine örtliche, rechtlich unselbständige Niederlassung eines Unternehmens darstellt. Je nach Forschungsziel und Art der durchzuführenden Analysen ergibt sich entweder eine Präferenz für die Datenerhebung auf Betriebs- oder Unternehmensebene. Eine Präferenz für Datenbasen, in denen Informationen auf der Betriebsebene vorliegen, ergibt sich beispielsweise bei der Analyse regionaler Arbeitsmarkteffekte, da in diesen Datenbasen Beschäftigtenzahlen für einzelne Betriebsorte ausgewiesen werden. Bei Datenbasen auf Unternehmensebene wird hingegen die Gesamtbeschäftigtenzahl des Unternehmens unabhängig von der Lage der zugehörigen Betriebe dem Ort zugerechnet, an dem sich der juristische Sitz des Unternehmens befindet.

Für jedes neu erfasste Unternehmen wird von CREDITREFORM eine neue, bisher noch nicht verwendete Unternehmenskennziffer vergeben. Diese Kennziffer und die Wellekennung stellen den Primärschlüssel für die am ZEW geführten Gründungspanel dar. Die unter dem Primärschlüssel vorliegenden Informationen umfassen u. a.:

  • Firmenname und –anschrift;
  • Rechtsform;
  • Wirtschaftszweigszugehörigkeit;
  • Beschäftigtenanzahl;
  • Die drei aktuellsten Gründungsdaten;
  • Datum des Handelsregistereintrags für eintragspflichtige Unternehmen;
  • Umsatzzahlen;
  • Daten zu Vergleichs- und Gesamtvollstreckungs- bzw. Konkursverfahren;
  • Datum der letzen Recherche;
  • Informationen über eventuelle Probleme bezüglich des Aktualitätsstands der Daten und der Recherchierbarkeit des Unternehmens;

Zusätzlich zu diesen Informationen enthalten die Datenbanken Angaben zu den Eigentümern und Führungskräften des Unternehmens.

Im Mittelpunkt der Gründungsforschung stehen in der Regel erstmalige Errichtungen betrieblicher Faktorkombinationen, d.h. sog. originäre Unternehmensgründungen. Diese müssen wiederum von den sog. derivativen Gründungsereignissen oder Wandelereignissen unterschieden werden. Hinzu kommen auch Rechtsformwechsel oder Änderungen in der Eigentumsstruktur bspw. Aufgrund von Übergaben, Abspaltungen oder Zusammenschlüssen. In den ZEW-Gründungspanels ist es grundsätzlich möglich, die Gruppe originärer, selbständiger Gründungen zu isolieren. Bei diesen Gründungen treten ausschließlich natürliche Personen und keine Unternehmen als Beteiligte des neuen Unternehmens auf. Im Kreditreform-Datenbestand sind u. a. Angaben zur Art und Höhe der Beteiligung und zum Haftungsstatus der am Unternehmen beteiligten natürlichen und juristischen Personen enthalten. Auf Grundlage dieser Informationen kann geprüft werden, welche Unternehmensgründungen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht den selbständigen Gründungen zuzurechnen sind. Schwierig gestaltet sich allerdings die Abgrenzung im Falle von Mischformen, bei denen sowohl natürliche als auch juristische Personen an der Gründung eines Unternehmens beteiligt sind.

Ein anderes gängiges Differenzierungsverfahren zwischen originären selbständigen und anderen Gründungen ist die Abgrenzung mit Hilfe der Beschäftigtenzahl. Da es sich bei den originären selbständigen Gründungen ausschließlich um kleine Unternehmen handelt, werden bei diesem Verfahren oftmals nur Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten zum Gründungszeitpunkt als originäre, selbständige Gründungen angesehen. Bei Anwendung des Beschäftigtenkriteriums werden allerdings auf der einen Seite originäre, selbständige Gründungen mit hoher Beschäftigtenzahl nicht als solche Gründungen erkannt. Auf der anderen Seite werden derivative oder originär unselbständige Gründungen nicht identifiziert, wenn ihre Markeintrittsgröße unterhalb der Abschneidegrenze liegt. In den ZEW-Gründungspanels gelten nach Anwendung des Beschäftigtenkriteriums Unternehmen als derivativ oder originär unselbständige Gründungen, wenn sie zum Gründungszeitpunkt mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen. Dabei wird verlangt, dass die erste Beschäftigungsangabe spätestens sechs Monate nach Gründung vorliegen muss. Insgesamt können unter Anwendung des Beschäftigtenkriteriums knapp 1,5 Prozent der Unternehmungsgründungen als vermutlich nicht originäre, selbständige Gründungen in den beiden ZEW-Gründungspanels erkannt werden.

Unternehmensschließungen

Als Schließung eines Unternehmens wird die endgültige Einstellung aller Wirtschaftsaktivitäten mit Freisetzung der im Unternehmen gebundenen Ressourcen verstanden. In Verbindung mit einer solchen materiellen Liquidation erfolgt in der Regel auch die Abmeldung des Gewerbebetriebs und im Falle von Personen- oder Kapitalgesellschaften die formelle Liquidation der Gesellschaft im Handelsregister. Solange die Wirtschaftsaktivität eines Unternehmens nach einer organisatorischen Umstrukturierung im Rahmen einer Umwandlung, Fusion oder eines ähnlichen Ereignisses weitergeführt wird, liegt keine Unternehmensschließung im obigen Sinne vor. Gleiches gilt, wenn bspw. der juristische Sitz oder die Produktions- bzw. Leistungseinheit des Unternehmens an einen anderen Standort verlagert wird.

Bei Unternehmen, deren Schließung mit einem Gesamtvollstreckungs- bzw. Konkursverfahren verknüpft ist, liegen Datumsangaben zu wichtigen Stadien des Insolvenzverfahrens vor, z.B. das Datum der Anmeldung des Verfahrens, der Abmeldung der Verfahrenseröffnung mangels Masse, der Eröffnung oder der Aufhebung eines eröffneten Verfahrens. Diese Informationen werden von CREDITREFORM sehr gut recherchiert, da sie für eine Kreditauskunftei hohe Bedeutung haben, und zudem aufgrund der bestehenden Publikationspflichten leicht zugänglich sind. Das Vorliegen dieses Datenmaterials erlaubt eine genaue Abgrenzung zwischen so genannten erzwungenen und freiwilligen Unternehmensschließungen.

Das Textmaterial zu den Unternehmen, bei denen CREDITREFORM eine Unternehmensschließung erkannt hat, enthält im Idealfall tages- oder monatsgenaue Datumsangaben zur Einstellung der Geschäftstätigkeit, sowie zur Abmeldung des Gewerbes, zur Auflösung der Personen – oder Kapitalgesellschaft und zu deren Löschung im Handelsregister. Bei Unternehmen, deren Schließung erst lange nach dem Schließungspunkt erkannt wird, kann CREDITREFORM allerdings nur noch Registerinformationen, d.h. den Zeitpunkt der Gewerbeabmeldung, der handelsregisterlichen Eintragung der Gesellschaftsauflösung oder nur noch den Zeitpunkt der Löschung im Handelsregister in Erfahrung bringen

Datenzugang

Individualdaten des Mannheimer Gründungspanels können nicht an externe Nutzer weitergegeben werden. Interessierten Wissenschaftlern können lediglich Daten auf aggregierter Ebene zur Verfügung gestellt werden. Nähere Informationen dazu finden Sie hier

Literatur

Almus, Matthias; Engel, Dirk; Prantl, Susanne (2002): Die Mannheimer Gründungspanels des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. In: Fritsch, M. & Grotz, R.(2000):Das Gründungsgeschehen in Deutschland: Darstellung und Vergleich der Datenquellen, 1. Auflage, Heidelberg, S. 79-102.

Almus, Matthias; Engel, Dirk; Prantl, Susanne (2000), The Mannheim Foundation Panels of the Centre for European Economic Research (ZEW), ZEW Dokumentation Nr. 00-02, Mannheim.