1997 – Gerzensee

Jahrestagung des Industrieökonomischen Ausschusses, 10.–11. März 1997

Die Sitzung des Ausschusses Industrieökonomik fand vom 10.–11. März 1997 im Studienzentrum der Schweiz, Nationalbank in Gerzensee (Schweiz) statt. Die lokale Organisation hatte Prof. Dr. Niklaus Blattner übernommen.

Im ersten Teil galt die Aufmerksamkeit der theoretischen und empirischen Analyse des Strukturwandels und der Innovation. Das Thema von Ulrich Witt (Jena) lautete: "'Lock-In' vs. 'Critical Masses' - Industrial Change under Network Externalities". Witt wandte sich insbesondere gegen die theoretische Zwangsläufigkeit, nach welcher im Falle bedeutender Netzwerkexternalitäten jeweils eine einzige Innovationsvariante im Markt oben ausschwinge. Würde dieses sog. "lock-in"-Phänomen durchwegs zutreffen, hätte es zur Folge, dass der Innovationsprozess merklich verzögert verliefe. Dies scheint der Wirklichkeit zu widersprechen. Durch eine entsprechende Modifikation des Modells gelingt es Witt, das Paradoxon zu entschärfen. Wesentlich dabei ist die Einführung einer "kritischen Masse", welche, sobald sie von den Innovatoren erreicht wird, den Anwendern nahelegt, trotz der Netzwerkvorteile bereits eingesetzter Technologien neue Varianten zu übernehmen.

Hariolf Grupp (Karlsruhe) präsentierte das Papier "Embodied and Disembodied Technical Change: A Multi-Factorial Analysis of German Firms". Die empirische Arbeit fußt auf Querschnittsdaten von 240 deutschen Unternehmen. Basisdaten sind die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sowie Patentanmeldungen. Die Ergebnisse sind unter anderen: Die Neigung zu Patentanmeldungen hängt nur von der Firmengröße markant ab. Die Überprüfung der Beziehungen zwischen acht Innovationsindikatoren erbringt drei Faktoren, wobei vor allem die "interne Innovation" (unverkörperter technischer Fortschritt) und die "externe Innovation" (verkörperter technischer Fortschritt) hervorstechen. Die Innovationsaktivität lässt sich weder durch die Größe noch durch die Branchenzugehörigkeit der Unternehmen ausreichend erklären.

Das dritte Papier in diesem Teil der Tagung stammte von Doris Neuberger (Rostock). Sie setzte sich mit "Direct Banking - A Demand Pull and Technology Push Innovation" auseinander. Der Technologieschub betrifft vor allem die Angebotsseite und geht von der Telekommunikation und der Informatik aus (Telematik). Der Nachfragesog beruht auf einer ebenfalls von der Telematik ausgelösten Veränderung im Kundenverhalten. In einem Modell der monopolistischen Konkurrenz lässt sich zeigen, dass die Innovation des "Direkt Banking" auf die Dauer eher eine größere Anbieterzahl und geringere Dienstleistungspreise erwarten lässt, als dies beim herkömmlichen "brick and mortar banking" der Fall wäre. Punktuelle empirische Evidenz wird unterstützend beigezogen.

Der Übergang zum zweiten Teil der Tagung mit dem Thema Wettbewerb im Bankensektor war fließend. Lars-Hendrik Röller (Berlin) trug ein Papier vor, das er gemeinsam mit Damien Neven (Lausanne) verfasst hat: "An Aggregate Structural Model of Competition in the European Banking Industry". Im Mittelpunkt stehen der Markt für Hypotheken an private Haushalte und die übrigen kommerziellen Kredite. Auf der theoretischen Ebene wird ein Strukturmodell mit Daten von sieben Ländern aus der Zeit von 1981–1989 geschätzt. Zwar zeigt sich, dass die Deregulierung den Rückgang der Verhaltensabstimmung (Kollusion) vermutlich begünstigt hat. Vor allem im Bereich der Hypothekarkredite ist kartellistisches Verhalten jedoch nach wie vor nicht auszuschließen. Dass ein solches Verhalten vorkommt, ist auch deswegen plausibel, weil die Preiselastizität der Nachfrage relativ hoch liegt. Des Weiteren werden Belege für eine Kreuzsubventionierung zwischen den beiden betrachteten Kreditsparten gefunden.

Im zweiten Referat in diesem Teil setzte sich Alexander Karmann (Dresden) auseinander mit "Banking Risks and Interest Rate Behaviour: A Stochastic Order Approach". Mit diesem theoretischen Papier leistet der Autor einen Beitrag zum Thema der Zinsänderungsrisiken im Bankensystem. Zu diesem Zweck wird zuerst das Verhalten der Zinssätze mit Hilfe des Konzepts der stochastischen Ordnung von Verteilungen erfasst. Dann wird unterschieden zwischen Liquiditäts- und Preisrisiken. Erstere sind definitionsgemäß inexistent, solange der Geldmarkt perfekt ist. Spielen dagegen Externalitäten eine Rolle, bewirken steigende Liquiditätskosten Renditeminderungen, wobei verschiedene Typen von Banken unterschiedlich betroffen sind. Preis- bzw. Insolvenzrisiken sind nicht auszuschließen.

Im dritten Teil der Tagung galt die Aufmerksamkeit dem Zusammenhang zwischen Industriestruktur und Arbeitsmärkten. Konrad Stahl (Mannheim) präsentierte das mit Uwe Walz (Bochum) gemeinsam verfasste Papier "Labor Market Pooling and Firm Heterogeneity". Zur Diskussion steht die Erklärung der Konzentration von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Raum (sog. "pooling"). In der Literatur sind die treibenden Kräfte die Skaleneffekte sowie der Risikoausgleich im Gefolge eines Portefeuilles von Beschäftigungsmöglichkeiten. Geht man jedoch in die Mikrostruktur, d.h. berücksichtigt man, dass die Unternehmen sowohl hinsichtlich der Input- als auch der Outputmärkte heterogen sind, verschwimmt das Bild. Die Konzentration im Raum ist zwar immer noch möglich, aber nur noch als Spezialfall.

Klaus F. Zimmermann (München) untersuchte das Thema "German Job Mobility and Wages". Die Botschaften dieses empirischen Papiers (Paneldaten) lassen sich wie in einem Strauß zusammenfassen: Die Deutschen sind flexibler als vielfach behauptet. Der interne Arbeitsmarkt spielt eine größere Rolle als der externe. Will man die Löhne erklären, ist der Job der relevantere Ansatzpunkt als der Wirtschaftszweig oder die individuelle Produktivität (Humankapital). Die bisherige Betriebszugehörigkeit leistet keinen wesentlichen Beitrag zur Einkommenserklärung. Die aktuelle individuelle Mobilität hängt von der bisherigen sowie von regionalen Einflüssen ab.

Den Abschluss der Vorträge machte Joachim Schwalbach (Berlin) mit einer mit Ulrike Grasshoff (Berlin) erarbeiteten Untersuchung: "Corporate Restructuring, Downsizing and Managerial Compensation". Diese nährt den Verdacht, wonach die Führungskräfte in Publikumsgesellschaften im Allgemeinen nicht effizient, d.h. anreizgerecht entlohnt werden. Dass die Zusammenhänge zwischen der Performance der Unternehmen und der Entlohnung der Führungskräfte in den Großunternehmen weniger ausgeprägt sind als in den kleinen Firmen, wird darauf zurückgeführt, dass die Aufgabenvielfalt mit der Firmengröße zunimmt. Je vielfältiger die Aufgaben, desto schwieriger fällt die Bewertung der Managerleistung. Von daher gesehen erscheint ein "Downsizing" nicht abwegig, wobei dies natürlich kein hinreichendes Argument ist. Die Daten stammen von 48 deutschen Aktiengesellschaften und beziehen sich auf die Jahre von 1968 - 1994.

Wie letztes Jahr soll auch dieses Jahr wieder eine Anzahl von Beiträgen in die ifo Studien aufgenommen werden. Den Kollegen Hans-Jürgen Ramser und Karl-Heinz Oppenländer ist dafür einmal mehr zu danken.

Zum neuen Vorsitzenden des Ausschusses wurde Joachim Schwalbach(Berlin) und zum neuen stellvertretenden Vorsitzenden wurde Gerhard Clemenz (Wien) gewählt. Die Tagung 1998 wird vom 9. – 10. März in Wien durchgeführt. Das Programm präsentiert sich erneut als attraktiv.